Fragen und Antworten zum
Thema Elsass-Lothringen
..Übersichtskarte..
..Geschichte.. ..Ortsnamen.. ..Fragen+Antworten.. ..Links.. ..Quellen..
Woher kommt der Begriff Elsass-Lothringen?
Der zusammengesetzte Begriff Elsass-Lothringen war ab 1871
die offizielle Bezeichnung für das nach dem deutsch-französischen Krieg
1870/71 bis 1918 von Frankreich an Deutschland abgetretene Gebiet, das
praktisch das gesamte Elsass und einen Teil Lothringens, das sog.
"Deutsch-Lothringen" umfasste.
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Ist die Verwendung des Begriffs Elsass-Lothringen von Deutschland aus
nicht politisch belastet?
Die Begriffsverwendung ist
heute eigentümlich. Im politischen Bereich spielt der Begriff in Deutschland
keine Rolle. Anteilnahme am Schicksal von Elsass-Lothringen ist in der
deutschen Politik nirgends zu erkennen. Diese
"Nichteinmischungs-Politik" beruht wohl auf einer Mischung aus
Unwissenheit, Resignation und ängstlicher Bequemlichkeit. Man muss aber auch
sehen, dass selbst die -wenigen- elsässischen Autonomisten stets bemüht sind,
den Eindruck unbedingt zu vermeiden, aus Deutschland
"ferngesteuert" zu werden. Was sollte da also eine Einflussnahme
aus Deutschland nützen?
In Lebensbereichen, die nicht politikverdächtig sind,
wird der Begriff Elsass-Lothringen in Deutschland noch ohne weiteres
verwendet. So gibt es zum Beispiel mehrere deutsche Reiseführer, die sich
ausdrücklich mit "Elsass-Lothringen" befassen.
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Fühlen sich die Elsässer und Lothringer als Deutsche?
Was andere fühlen, lässt sich nur mutmaßen. Es steht aber außer Frage, dass
auch heute noch in Elsass-Lothringen irgendwie eine gefühlsmäßige Verbindung
zum deutschen Kulturkreis besteht.
So wird in einer 2001 vom Fernsehsender "Arte" ausgestrahlten
Dokumentation von älteren Elsässern berichtet, dass sie "feuchte Augen
bekommen", wenn sie im Fernsehen deutsche Volksmusiksendungen empfangen.
Ein Bekenntnis zur deutschen Nation ist heute aber nirgends mehr zu
vernehmen, noch nicht einmal aus dem Kreis der elsass-lothringischen
Autonomiebewegung. Im Gegenteil - jedenfalls von denen, die das
"Sagen" haben - wird die Treue zu Frankreich allgemein beteuert.
Der elsässische Dichter und Illustrator Jean-Jacques Waltz, der heute im
Elsass als "Hansi" mit seinen verklärenden Bildchen - Ikonen gleich
- allgegenwärtig ist, setzte Frankreich gar mit himmlischen Gefilden gleich
("le paradis tricolore").
Womöglich ist diese Bewunderung sogar etwas
typisch deutsches - man denke nur an das frappierend ähnliche deutsche
Sprichwort "Leben wie Gott in Frankreich". Niemand wird bestreiten:
Gegenwärtig ist Frankreich mit seinem gesunden, selbstbewussten
Nationalgefühl ungleich attraktiver als das heutige, bußfertige Deutschland.
Die nationale Hochstimmung, wie sie zum Beispiel der französische
Nationalfeiertag (14. Juli) in Frankreich auslöst, hat in Deutschland nichts
Vergleichbares. Die Zeiten, wo es vom Deutschen noch hieß "er blickt
hinauf in Himmelsauen, wo Heldenväter niederschauen", sind lange vorbei.
Jedoch war in Elsass-Lothringen das Bekenntnis zu
Frankreich noch vor zwei, drei Generationen nicht so allgemein wie heute. Der
Elsässer Wohltäter und Friedensnobelpreisträger Albert Schweitzer (+1965)
bekannte sich zeitlebens zur deutschen Nation. Das Gedenken an Albert
Schweitzer wird im Elsass zwar auf lokaler Ebene gepflegt, auf nationaler
Ebene, von Frankreich, wird er jedoch bis heute nie als eines seiner
"großen Söhne" bezeichnet. In dem 2003 vom ZDF (Zweiten Deutschen
Fernsehen) veranstalteten Wettbewerb "Der größte Deutsche" war
unter den Kandidaten unter anderem auch Mozart und ausdrücklich auch Albert
Schweitzer aufgeführt. Während Österreich (frei nach dem Motto "Mozart
ein Österreicher, Hitler ein Deutscher") gegen die Kandidatur von Mozart
vehement protestierte, gab es aus Frankreich in puncto Albert Schweitzer nur
ein "beredtes Schweigen".
Ein ganz anderes Beispiel war der in Europa nahezu unbekannte, in den USA
aber außerordentlich populäre Musiker und Bandleader Lawrence Welk (+1992).
Seine Eltern stammten aus dem Elsass und wanderten erst nach Russland, bald
weiter nach Amerika aus, wo sie sich in "New Strasburg"
niederließen, einer Gründung Elsässer Auswanderer. Dort wurde nur deutsch
gesprochen, auch in der Schule. Und so lernte Lawrence Welk - mitten in den
USA! - erst im Erwachsenenalter mühsam Englisch, mit einem sehr starken
deutschen Akzent, sein "Markenzeichen". Auf Fragen nach seiner
Herkunft pflegte er zu antworten, seine Familie stamme aus
"Alsace-Lorraine, Germany".
Die Einwohner Elsass-Lothringens bezeichnen sich heute
als Franzosen. Und es erscheint ein wenig so, als ob manch einer die
überlieferte Sprache zugunsten des Französischen aufgibt, um das Bekenntnis
zu Frankreich zu bekräftigen.
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Eines ist jedenfalls klar: der Ruf "Heim ins
Reich" ertönt in Elsass-Lothringen nirgendwo. Elsass-Lothringen
"heimzuholen", das wäre ungefähr so, wie wenn ein Pfadfinder eine
gute Tat vollbringen will und einer alten Frau über die Straße hilft - aber
sie will gar nicht hinüber.
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Was sind die ursprünglicheren Ortsnamen, die deutschen oder die
französischen?
Nur in einem kleinen Gebiet von
Elsass-Lothringen, ungefähr südwestlich einer Linie Saarburg-Metz, gibt es
französische Ortsnamen, die älter als 200 Jahre sind. überall sonst in Elsass-Lothringen
sind die deutschen Ortsnamen die ursprünglichen.
Die von Frankreich in neuerer Zeit vorgenommen Umbenennungen versuchen mal
an die deutsche Aussprache anzuknüpfen (Pfirt wird zu Ferrette) oder an die
mundartliche (Bischweiler wird zu Bischwiller); mal wird die deutsche
Bedeutung nachgebildet (Spittel, also "Spital", wird zu
"Hôpital"), mal ein "allzu germanisch" aussehender Name
einfach nur verfremdet (Schlettstadt wird zu Sélestat).
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Der Dichter Friedrich Richter (genannt "Jean Paul") nannte seine
Muttersprache, das Deutsche, liebevoll die "Orgel unter den
Sprachen". Und tatsächlich, wie "anheimelnd" klingen doch
Ortsnamen wie Willgottheim oder Offenheim. Diese "...heim"-Orte,
die in Deutschland das sog. "Altsiedelland" markieren, treten
nirgends in einer solchen Fülle und Dichte auf wie im Elsass. Es scheint
so, als ob die Fantasie der französischen Namensschöpfer vor der Fülle der
"...heime" kapitulieren musste, denn die meisten haben die Phasen
der Umbenennung unbeschadet überstanden. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass
sogar im deutschen Fernsehen Ortsnamen wie (das vom Kraftwerk her bekannte)
Fessenheim noch ganz deutsch ausgesprochen werden.
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Anders als beim Elsass mit seinen vielen "-heim" wirkt eine
Landkarte von Lothringen heute schon viel französischer. In Lothringen
waren hauptsächlich die Orte auf "-ingen" und "-dorf"
verbreitet, und diese wurden meist in "-ange" bzw.
"-troff" umbenannt. Wer kann noch ahnen, dass sich hinter
Benestroff oder Puttelange alte deutsche Bezeichnungen (nämlich Bensdorf,
Püttlingen) verbergen?
Bereits auch viele Deutsche verwenden nur noch die französischen Ortsnamen,
teils aus Unwissenheit, oft aber auch in dem eifrigen Bemühen, sich als
"gute Menschen" zu präsentieren. Jedoch: Dass ein Deutscher
"Strasbourg" sagt, wird in Frankreich weder verlangt noch
erwartet, sondern eher belächelt.
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Heute werden allerdings
selbst von den Einwohnern Elsass-Lothringens die abweichenden deutschen Ortsnamen
kaum noch verwendet - alle sagen Thionville, den Namen Diedenhofen
verwendet keiner, den Jüngeren wird er gar nicht mehr bekannt sein. Wer
soll ihnen das verübeln, wo doch selbst in Deutschland heute höchstens noch
Straßburg und Mülhausen mit ihren deutschen Namen bezeichnet werden!
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Wo verläuft die Sprachgrenze?

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Vor hundert, ja noch vor fünfzig Jahren konnte man klar
sagen: westlich des Vogesenkamms wird französisch, östlich davon deutsch
gesprochen. In Lothringen verlief die Grenze ziemlich genau auf einer Linie
Saarburg-Hayingen (siehe Karte am Anfang). Im Mittelalter verlief die
Sprachgrenze allerdings teilweise etwas - jedoch nur wenige Kilometer -
weiter westlich.
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Die lothringische Stadt Metz war ein besonderes Phänomen. Metz gehörte im
Mittelalter zum Deutschen Reich. Der Inbesitznahme durch Frankreich im 16.
Jahrhundert folgte im nächsten Jahrhundert die Ausweisung tausender
Protestanten (also Deutschsprachiger), aber nicht wegen ihrer Sprache - die
spielte damals keine Rolle - sondern wegen ihrer evangelischen Religion. In
der Folge wurde Metz praktisch zu einer rein französischsprachigen Stadt.
Das änderte sich erst wieder zweihundert Jahre später:
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In der der Zeit der
deutschen Besetzung im "Kaiserreich" bildete sich inmitten eines
französischsprachigen Umlands eine deutliche deutsche Sprach(halb-)insel
aus. So lag im Stadtkreis Metz der Anteil des Französischen im Jahre 1900
nur noch bei 20%. Der deutsche Einfluss fiel erstaunlicherweise auf so
fruchtbaren Boden, dass ein wenig "deutsche Lebensart" noch bis
heute spürbar ist: Nirgends sonst in Frankreich gibt es Imbissstände mit
Bratwürsten (saucisse grillé), nicht grundlos hat die Stadt in Frankreich
den Spitznamen "Metz l'Allemande" (Metz, die
"Deutsche").
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Die deutsche Sprache ist
allerdings heute bereits weitgehend wieder ausgelöscht, aber noch
auffindbar: wer heute als Deutscher guten Willens mit alten Einwohnern von
Metz unter vier Augen ein Gespräch auf Französisch beginnt, wird noch
vielfach feststellen, dass sie von einem Satz zum anderen auf reines,
muttersprachliches Deutsch umschalten.
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In Elsass-Lothringen ist die öffentliche Umgangssprache heute Französisch,
und in diesem Sinne ist die einstige Sprachgrenze heute deckungsgleich mit
der französischen Staatsgrenze. Die Vogesen-Sprachgrenze ist heute nur noch
eine Illusion. Wenn ein -pardon!- "richtiger" Franzose von Westen her
kommend die Vogesen überschreitet, wird er weiterhin nur Französisch zu hören
bekommen, dessen "elsässischen" Akzent wird er womöglich bereits
für den "elsässischen Dialekt" halten. Jedenfalls wird er von einer
Sprachgrenze nichts bemerken, denn Deutsch wird nur noch im familiären
Bereich und auch das auch in der Hauptsache nur von der älteren und mittleren
Generation gesprochen. Und so läuft heute durch Elsass-Lothringen die
Sprachgrenze eher quer durch die Generationen, quer durch die
"Alterspyramide", quer durch die Familien.
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Liegt hier nicht nur ein schmales Grenzgebiet vor, und es gibt einfach
hüben und drüben ein paar Leute, die eben auch die Sprache des Nachbarlandes
sprechen?
Hier hilft vielleicht ein
Vergleich mit der Schweiz.
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Die Grenzziehung zwischen
französischem und deutschem Sprachgebiet ist nicht nur in der Schweiz sehr
scharf und lässt sich kilometergenau festlegen.
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In der Schweiz bilden die deutschsprachigen Schweizer mit ungefähr 2/3 der
Einwohnerzahl und Fläche bei weitem die Mehrheit. Die französischsprachige
Schweiz ist hingegen nur ein kleines Randgebiet, nach Fläche und
Bevölkerungszahl erheblich kleiner als Elsass-Lothringen. Und doch galt das
Französische in der französischsprachigen Schweiz schon immer als vollwertige
Amts- und Schulsprache. Ähnliche Rechte von Frankreich zu erhalten, davon
können die Deutschsprachigen in Elsass-Lothringen aber nur träumen.
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Wird in Elsass-Lothringen noch deutsch gesprochen?
Noch bis vor hundert Jahren war Deutsch die beherrschende Sprache. Und das
lag nicht an der damaligen deutschen Besetzung, sondern an den kulturellen
Wurzeln des Landes. Zum Beispiel: Goethe, der im ausgehenden 18. Jahrhundert
in Straßburg studierte, tat dies an einer gänzlich deutschsprachigen
Universität - trotz bereits langer politischer Zugehörigkeit Straßburgs zu
Frankreich.
Die Frage, ob in Elsass-Lothringen deutsch gesprochen wird, ist in
Frankreich fast ein Tabu. Selbst die Einwohner Elsass-Lothringens, die noch
deutsch sprechen, meiden die Bezeichnung "Deutsch", denn das klingt
nach "Deutschland" und hat vermeintlich einen Beigeschmack nach Separatismus.
Es heißt es stattdessen immer nur, dass "alsacien"
(Elsässisch)gesprochen wird, in Lothringen "francique" (fränkisch,
moselfränkisch) oder "platt". Keiner kann aber ernsthaft
bezweifeln, dass alles deutsche Dialekte sind. Ein Münchner spricht
bayerischen Dialekt, ein Frankfurter hessischen Dialekt, ein Leipziger
sächsischen Dialekt: fragt man diese aber, was denn ihre
Mutter-"Sprache" sei, werden alle antworten:"Deutsch".
Genau so ist, wenn man die Regional-"Sprache" in Elsass-Lothringen
meint, "Deutsch" die in Wahrheit zutreffende Bezeichnung - auch
wenn die Wahrheit, wie jeder weiß, nicht immer und überall beliebt ist.
Grundlegend anders ist es beispielsweise bei den deutschsprachigen Einwohnern
in Ostbelgien. Diese wenig bekannte, zahlenmäßig kleine Gruppe, mit ca.
100.000 Zugehörigen, bezeichnet sich selbst als deutschsprachig. Diese
belgische Minderheit musste sich auch gegen Widerstände einen kulturellen und
sprachlichen Sonderstatus in Belgien erkämpfen. Das gelang teilweise, nämlich
in dem auch als "Eupen-Malmedy" bezeichneten Gebiet; in dem davon
isolierten, viel weiter südlich gelegenen, kleinen Randgebiet um Arel (das
vor einigen Jahren durch den Dutroux-Prozess unliebsam bekannt gewordene
"Arlon", einst die westlichste Stadt des deutschen Sprachraums) lebt
die alte Sprache nur noch in den höheren Altersklassen. In
"Eupen-Malmedy" hingegen gibt es heute deutschsprachige Schulen,
deutschsprachige Zeitungen, deutschsprachige Ortsschilder - alles das wäre in
Elsass-Lothringen undenkbar.
Gewiss, im heutigen, vom Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen
zerrissenen Belgien, profitierte "Eupen-Malmedy" auch etwas von
seiner Rolle als der "lachende Dritte". Aber der Hauptunterschied
zu Elsass-Lothringen liegt wohl darin, dass Eupen-Malmedy erst im 20. Jahrhundert
von Deutschland abgetrennt wurde, zu einer Zeit, als sich das
Nationalbewusstsein in Deutschland bereits längst entwickelt hatte.

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Ganz anders die Situation
in Elsass-Lothringen. Straßburg wurde bereits im 17. Jahrhundert von
Frankreich besetzt, zu einer Zeit, als ein Nationalbewusstsein im
lächerlich zersplitterten deutschen Reich weniger denn je vorhanden war.
Dieses Vakuum wurde in Elsass-Lothringen durch die zunehmende französische
Einflussnahme und die starke Anziehungskraft der französischen, schon
damals ausgebildeten Nationalkultur rasch ausgefüllt. Als dann mit einiger
Verspätung in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Deutschen sich als Nation
zu fühlen begannen, war in Elsass-Lothringen schon längst ein gewisses
Zugehörigkeitsgefühl nach Frankreich entstanden - und das bedeutete damals
noch keineswegs, dass man sich auch zur französischen Sprache bekennen
musste.
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Die Gleichung Franzose=Französischsprechender wurde erst später von den
Machthabenden aufgestellt und ging mit einem großen administrativen und
kulturellen Anpassungsdruck einher. Ziel war, in Elsass-Lothringen die
französiche Sprache auf allen Ebenen und Lebensbereichen durchzusetzen. Die
Höhepunkte dieser Politik waren die Zeiten nach beiden Weltkriegen, besonders
radikal wurde nach dem ersten Weltkrieg vorgegangen. Wichtigstes Instrument
war die Schulpolitik, die der mehrheitlich deutschsprachigen Bevölkerung das
Französische unerbittlich als alleinige Schulsprache vorsetzte. Gegen diesen
Kulturkampf regte sich in den 1920er und 1930er Jahren im Elsass teilweise
erbitterter (nie gewalttätiger) Widerstand; vor allem zu nennen ist hier der
"Heimatbund", der sogar nicht ohne Märtyrer blieb. Lautet doch der
französische Wahlspruch, in seiner Originalfassung: "Liberte, egalite,
fraternite - ou la mort", also: "Freiheit, Gleichheit,
Brüderlichkeit - oder der Tod". Gewiss, heute sind die Alternativen
nicht mehr so krass, aber im genannten Wahlspruch wird auch der kulturelle
Herrschaftsanspruch Frankreichs deutlich. Dagegen war auf die Dauer kein
Kraut gewachsen.
Vielmehr gab es zu allen Zeiten in Elsass-Lothringen auch eine
fortschreitende Bereitschaft zur Aufnahme der französischen Sprache und
Kultur. Diese Tendenz wurde beherrschend, als nach dem zweiten Weltkrieg das
Ansehen Deutschlands und dessen Kultur auf einen Tiefpunkt sank. Das Deutsche
galt nun nicht mehr als die Sprache der "Dichter und Denker",
sondern eher als Sprache der "Schlächter und Henker", oder, wie der
deutsche Bundestagspräsident (W. Thierse) dieser Tage seine eigene
Muttersprache beschrieb: "die Sprache des Mordes, des Antisemitismus,
der Menschenfeindlichkeit, der Lüge und des rassistischen Vorurteils"
(1).
Kein Wunder
also, dass seit 1945 die Kritik an der Verdrängung der deutschen Sprache in
Elsass-Lothringen weitestgehend verstummt ist. Ein guter Nährboden für die
Kampagne "il est chic de parler francais" (es ist "chic",
französisch zu reden), die eine gebetsmühlenartige Wirkung entfaltete. Das
führte, wie es eine Elsässerin in der bereits oben genannten Arte-Sendung
sagte, schließlich dazu, dass es ab den 1970er Jahren in Mode kam, die Kinder
nur noch auf französisch zu erziehen. Und so war der Dammbruch da.
In deutschen Nachschlagewerken (z.B. in einem der bedeutendsten, dem
"Fischer Weltalmanach") wurde noch 1993 die Zahl von 1,2 Millionen
"Deutschsprachigen" für Elsass und Lothringen genannt. Demnach wäre
die große Mehrheit der Einwohner Elsass-Lothringens deutschsprachig - das
dürfte schon damals nur eine Fortschreibung von veralteten Zahlen gewesen
sein, die kaum noch mit der Wirklichkeit übereinstimmten.
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Es gibt keine aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen zu dem Thema, es
wird aber bei den verschiedenen Generationen (Kinder-Eltern-Großeltern)
heute im Großen und Ganzen so aussehen:
- Großeltern untereinander sprechen deutsch.
- Großeltern mit Eltern deutsch.
- Kinder mit ihren Großeltern meist französisch, kaum deutsch
- Eltern untereinander deutsch oder französisch.
- Eltern mit ihren Kindern französisch.
- Kinder untereinander sprechen französisch.
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Das alles gilt nur für den familiären Bereich, und nur, wenn kein Fremder
dabei ist. Es genügt, wenn auch nur ein "Franzose" anwesend ist -
dann wird in der Regel von allen auf das Französische umgeschaltet; eine für
Minderheitensprachen typische Haltung, eine Mischung aus Höflichkeit,
Gastfreundschaft und einer Art Unterlegenheitsgefühl.
Heute stellen - von entlegenen kleinen Orten abgesehen - zugewanderte
"Zentralfranzosen" überall einen gewissen Bevölkerungsanteil. Daher
sind Elsässer und Lothringer heute nur noch selten ganz "unter
sich", und so ist das Deutsche aus dem öffentlichen Sprachgebrauch
praktisch verschwunden.
Die Geschwindigkeit, mit der der Sprachwechsel voranschreitet, ist
frappierend. Es gibt selbst heute, im Jahr 2012, noch einige wenige sehr alte
Leute, die nur deutsch sprechen, auf der anderen Seite aber auch viele
Kinder, die nur mehr das Französische beherrschen. Fragt man einen Greisen
auf französisch nach dem Weg, muss man noch mit der Antwort "nix
franzesch" rechnen. Fragt man Kinder auf deutsch, kommt Kopfschütteln.
Ausgewanderte Elsässer, die nach 20, 30 Jahren einmal wieder die alte Heimat
besuchen, berichten fassungslos, dass sie dort, wo sie früher mit Deutsch
"durchkamen", sie sich heute wie "im falschen Film"
fühlen.
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Sichert die Nähe zu Deutschland das Fortbestehen der deutschen Sprache
in Elsass-Lothringen?
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Anders als z.B. bei der keltisch-bretonischen Sprache, für
deren Fortbestehen in Frankreich es nur ganz düstere Prognosen gibt, scheint
die deutsche Sprache in Elsass-Lothringen den Vorteil des großen
deutschsprachigen Hinterlandes zu haben. Sicherlich wird für einen nach
Deutschland pendelnden Elsässer das Deutsche noch als Arbeitsplatz-Zweitsprache
fortbestehen. Aber eben nur noch als Zweitsprache - mehr nicht, wie
vielleicht der Vergleich mit dem Flämischen in Frankreich zeigt.
Im Norden Frankreichs, bei Dünkirchen, greift (oder besser gesagt: griff) der
flämische Sprachraum auf das französische Staatsgebiet über. Die ungefähr
200.000 "Flamen" dieses Gebiets sprechen heute Französisch. Nur
wenige alte Menschen beherrschen noch das Flämische (=Niederländische). Die
Nähe zum bestehenden (belgisch-) flämischen Sprachgebiet hat das Verlöschen
der flämischen Sprache in Frankreich nicht aufgehalten.
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Hat Deutsch noch eine Zukunft in Elsass-Lothringen?
Für die meisten Kinder in Elsass-Lothringen ist heute das Deutsche nicht mehr
Muttersprache, sondern nur noch "Großmuttersprache". Da Kinder die
Zukunft sind, dürfte klar sein, dass die deutschsprachige Tradition in
Elsass-Lothringen bald abgerissen sein wird.
In die Zukunft blicken kann keiner. Keiner kann aber auch bezweifeln, dass
die Generationenabfolge ein zwangsläufiger Prozess ist. Und demnach läuft
die Zeit der deutschsprachigen Generationen in Elsass-Lothringen ab. Die
nachgewachsenen französischsprechenden Generationen werden bereits in
wenigen Jahren die Sprachlandschaft so beherrschen, dass dann auch die
verbliebenen Zweisprachigen im Alltag nur noch das Französische verwenden.
So wird das Deutsche sogar noch schneller von der Bildfläche verschwinden als
die letzten deutsch- bzw. zweisprachigen Generationen.
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In Elsass-Lothringen werden
dann nur noch die Familiennamen wie "Muller", "Huber",
"Kramer", die heute noch die Telefonbücher in Elsass-Lothringen
prägen, an die alten Zeiten erinnern. Das Elsässische, kaum noch das
Lothringische, werden vielleicht noch in einer Nische als
"Folkloresprache" überleben.
Natürlich könnte man auch sagen, wenn sich die eine Muttersprache durch die
andere ersetzen lässt, dann könnte es ja auch genauso gut einmal wieder
anders herum gehen. Man muss aber sehen, dass das Verschwinden des Deutschen
als Muttersprache das Endergebnis eines Prozesses von der Dauer mehrerer
Generationen ist.
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Gibt es denn gar keine Bestrebungen, die deutsche Sprache in
Elsass-Lothringen zu erhalten?
In Amerikas Wildem Westen
wurden die Büffel jahrzehntelang gedankenlos dezimiert und erst kurz vor der
Ausrottung unter Schutz gestellt. Die verbliebenen Restbestände sind heute
weit von ihrer früheren, landschaftsprägenden Bedeutung entfernt.
Ein ähnliches Schicksal steht der deutschen Sprache in Elsass-Lothringen
bevor - im günstigsten Fall. "Fünf vor Zwölf" haben sich einige
kleinere Vereinigungen gebildet, die sich die Förderung der Zweisprachigkeit
zum Ziel gesetzt haben und auch bereits Erfolge vorweisen können. Außerdem
gibt es konkrete Pläne, um das Überleben des Deutschen wenigstens in lokalem
Rahmen zu sichern. Diese Projekte mit ihrer großen Symbolwirkung werden, wenn
sie Erfolg haben, das Deutsche nur als Sprache einer kleinen Minderheit
erhalten können. Selbst dann ist es eine Frage, ob sich das Deutsche als
Minderheitssprache, in der "Diaspora", wird halten können, wo es
sich in den Zeiten, als es noch Mehrheitssprache war, nicht hat halten
können.
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Löst sich die elsass-lothringische Frage durch das politische
Zusammenwachsen Europas nicht von alleine?
Durch die europäische
Union haben die Grenzen zwischen den Nationen einiges von ihrem trennenden
Charakter verloren, besonders durch den (weitgehenden) Wegfall der
Grenzkontrollen.
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In den 1980er Jahren in
den Zeiten, in denen es an der deutsch-deutschen Grenze noch den
"Todesstreifen" gab, war es für die Deutschen wie ein Traum,
"einfach so" über die Grenze zum westlichen Nachbarn wechseln zu
können.
Jedoch die Vorstellung, dass unsere
Nachfahren sich schon als Europäer und nicht mehr als Engländer, Franzosen,
Spanier oder Deutsche fühlen, ist ein Wolkenkuckucksheim.
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Bei Kernfragen der
nationalen Geschichte, wie etwa beim Verantwortlichkeitsgefühl für die
Judenverfolgung, oder bei Fragen des nationalen Prestiges, wie etwa bei der
Verfügungsgewalt über Atomraketen, wird es niemals zu einer
"Europäisierung" kommen. Auf der selben Ebene, ebenso
"prestige-behaftet" ist die Frage der sprachlich-kulturellen
Autonomie Elsass-Lothringens. Von Seiten der französischen Politik denkt
keiner daran, hier etwas anzubieten; bestenfalls kommen von Politikern kurz
vor Wahlen halbherzige Versprechungen, Vertröstungen und Verzögerungstaktik,
kann man doch klammheimlich auf auf die "biologische" Lösung des
Problems hoffen. Ebenso wenig denkt in Deutschland einer von "denen da
oben" auch nur im Traum daran, für Elsass-Lothringen etwas zu fordern.
Diese Haltung ist nur allzu verständlich: Bei dieser Frage kann ein deutscher
Politiker nichts gewinnen, aber alles verlieren. Wer die Politik in
Deutschland kennt, weiß, dass so ein Thema von den allmächtigen
Meinungsmachern als "rechts" gebrandmarkt würde. Und ein Politiker,
der sich eines solchen Themas annimmt, wird zur Hatz freigegeben, die erst
dann endet, wenn er zur Strecke gebracht ist.
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Ja, sind denn die Deutschen in Frankreich und Elsass-Lothringen
unbeliebt?
Bei manchen Lesern der vorstehenden Seiten entsteht
vielleicht der unbestimmte Eindruck, alles Deutsche und damit auch deutsche
Besucher wären in Elsass-Lothringen - oder auch Frankreich allgemein - nicht
sonderlich beliebt. Dieser Eindruck wäre völlig falsch. In keinem der
Nachbarländer der Bundesrepublik sind Deutsche so gerne gesehen wie in
Frankreich (genauso Luxemburg und Belgien).
Deutsche Austauschschüler können es in
Frankreich kaum glauben, wenn sie - in krassem Gegensatz zur vom deutschen
Geschichtsunterricht genährten Erwartungshaltung - hören, dass sogar
französische Kriegsteilnehmer in der Regel nur Positives von Ihrer
(Kriegsgefangenen-)Zeit in Deutschland berichten. Nun, Elsass-Lothringen ist
wegen der geschichtlichen Besonderheiten nicht ganz vergleichbar, jedoch
werden auch dort wohlmeinende deutsche Besucher nur Gastfreundschaft, aber
keine Ressentiments vorfinden.
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Wozu das alles?
"Glücklich ist, wer vergisst, was nicht mehr zu
ändern ist", reimte einst Wilhelm Busch. Ja, das Vergessen-Können ist
ein großes Glück. Das bewusste Ignorieren der Wurzeln Elsass-Lothringens ist
aber kein Vergessen-Können, sondern ein Vergessen-Wollen, sprich: Verdrängen.
Und Verdrängen schafft kein Glück. Wehklagen über das Verschwinden der
deutschen Sprache in Elsass-Lothringen nützt allerdings auch niemandem.
Was kann man als Außenstehender nun tun? Nicht viel! Einmischung von außen
ist gewiss heikel, aber man muss denjenigen Elsass-Lothringern, die um den
Spracherhalt bemüht sind, auch nicht gerade in den Rücken fallen. Ein kleiner
Schritt wäre schon, als Besucher aus Deutschland die alten Ortsnamen zu
verwenden; warum sollte man das alte "Weißenburg" nicht auch
genauso bezeichnen? Außerdem ist es nicht verboten, mit offenen Augen durchs
Land zu gehen. Es gibt viel zu entdecken und viel zu fragen. Warum finden
sich zum Beispiel auf den christlichen Friedhöfen keine älteren Inschriften,
sondern nur neuere französische? Fragen kostet nichts! Interessant ist sicher
auch, noch einmal einen der deutschsprachigen Gottesdienste zu besuchen -
noch gibt es welche! Auch kann man am Kiosk noch im Elsass mal eine der
notleidenden zweisprachigen Tageszeitungen kaufen - die gibt es noch, unter
der Ladentheke, so als ob das etwas anstössiges wäre.
Was die Elsässer und Lothringer selbst tun können oder wollen, kann ihnen
niemand abnehmen. Denn der Satz, dass jeder seines Glückes Schmied ist, gilt
gerade in demokratischen Gemeinwesen auch für ganze Völker oder Volksgruppen.
Das müssen auch Außenstehende respektieren - der Autor dieser Seiten gehört
dazu. Und so bleibt diesen Internetseiten vor allem eine dokumentarische
Aufgabe. Das wichtigste Anliegen ist, die Geschichte und die
sprachlich-kulturellen Wurzeln Elsass-Lothringens so darzustellen, wie sie
tatsächlich waren.
Da zur Thematik dieser Internetseiten nur wenige Informationsquellen
vorliegen, musste der Autor sich die zentralen Thesen auf Grundlage eigener
Anschauung bilden. Der Autor ist offen für neue Ansichten. Wer andere
Ansichten und zu dem Thema hat oder konstruktive Beiträge liefern kann, möge
das bitte dem Autor mitteilen.
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